Begrünte Dächer sind hoch gelegene, hoch interessante Zonen, die sich als wiedergewonnener Lebensraum bestens eignen. Sie benötigen kaum Pflege, schützen im Sommer vor Hitze und sorgen im Winter für eine bessere Wärmeisolierung. Gemeinsam mit der Hochschule Osnabrück und der Firma Zinco mit Sitz in Nürtingen (spezialisiert auf Dachbegrünungen) macht hier ein Unternehmen aus Niedersachsen Schule.
Dirk Lütvogt, Firmenchef des Familienunternehmens Friedrich Lütvogt, zu dem die Auburg Quelle gehört, stellte sich die Frage: „ Wie baut man in Zeiten von Flächenfraß, Artensterben und Klimawandel nicht nur umweltgerecht sondern auch artenschutzfreundlich?“ Schließlich ist Nachhaltigkeit Teil der Firmen-DANN. Und es ist Dirk Lütvogt ein persönliches Anliegen, diese Denkweise nach und nach konsequent auf alle Bereiche im Unternehmen zu übertragen und konkret umzusetzen.
Aber zurück zum Lager: Wie eine große, aus Holz gefügte Arche soll es sich in die Landschaft einfügen und es Tieren und Pflanzen ermöglichen, wenigstens einen Teil des verlorengegangenen Lebensraums zurück zu erobern! Eine glückliche Fügung war die Tatsache, dass sich direkt vor der Haustür von der Lütvogt GmbH & Co KG die AG Vegetationsökologie & Botanik der Hochschule Osnabrück genau mit diesen Themen beschäftigt. „RooBi- Roofs for Biodiversity“ ist der Titel des Forschungsprojektes. Prof. Dr. Kathrin Kiehl, Dr. Roland Schröder und Daniel Jeschke beschäftigen sich schon seit geraumer Zeit mit dem Thema, wie sich durch die Verwendung von gebietseigenen Wildpflanzen die regionaltypische Biodiversität schaffen lässt.
Man setzte sich an einen Tisch und beschloss: „Das 10.000 m² umfassende Dach der neuen Logistikhalle der Auburg Quelle wird der Wissenschaft dienen!“
Denn »RooBi- Roofs for Biodiversity« zeigt bereits Erfolge! Auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Ökologie in Münster berichtete Dr. Roland Schröder von ersten Ergebnissen eines Dachbegrünungsexperiments mit dem Vergleich zur Wagenfelder Logistikhalle identischem Aufbau und ähnlicher Vegetation: »Wir haben in diesem Sommer die ersten Vegetationserhebungen unserer Versuchsflächen gemacht. Und das sind wirklich gute Ergebnisse, die wir erzielt haben. 79 bis über 80 Prozent der 41 Arten haben wir jetzt im ersten Jahr im Prinzip schon wiedergefunden, sie sind regelmäßig dort.«
Auf dem Dach des Lütvogtschen Lagers sind es unter anderem Wildpflanzen aus den für die Gegend typischen »nordwestdeutsche Sandmagerrasen« die ausgebracht werden wird.
Diese Pflanzenarten sind an trockene, magere Standortbedingungen, die bei extensiver Dachbegrünung ebenfalls vorherrschen, angepasst. Das begleitende Monitoring Programm soll aufzeigen, wie sich hoffentlich auch hier eine artenreiche Flora und Fauna entwickelt. So entsteht ein wertvolles Trittstein-Biotop und ein neues Zuhause für Falter, Wildbienen, Hummeln, Vögel und Fledermäuse – dem Himmel ganz nah!
Das Nachhaltigkeitskonzept für das neue Logistikzentrum in den Wiedlingswiesen beinhaltet folgende Bausteine:
Größtes Gründach für regionaltypische Biodiversität in Deutschland
Pflanzengesellschaft: »nordwestdeutscher Sandmagerrasen«
Sandlinsen und Totholz als Nisthabitate für verschiedene Insekten wie z. B. Wildbienen
Flachwasserbereiche als Tränke und Quelle für Lehm-Gemische als Baustoff für Nisthabitate
Brettschichtholzkonstruktion aus heimischer Fichte als dauerhafter CO2 – Speicher
Fassade aus Lärchenholz als dauerhafter CO2-Speicher
Boden-Isolierung mittels Glasschaum-Schotter aus Altglas
Wandisolierung aus Altpapier
Regenrückhaltung auf dem Gründach
Regenrückhaltung zur Dachbewässerung
Regen-Versicherung im Bruchwald-Biotop
Sparsame LED Beleuchtung
Beheizung durch BHKW Wärme
Fertigstellung: November 2019
Ausführung durch: Zinco GmbH & Co. KG, Nürtingen, dem GaLa Bau-Unternehmen Gröne, Dinklage und die AG Vegetationsökologie & Botanik der Hochschule Osnabrück
Förderung: In Teilen gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und durch das Land Niedersachsen
RooBi-Roofs for Biodiversity: sinnvoll handeln hat Dr. Schröder von der Hochschule Osnabrück zu diesem spannenden Projekt befragt:
sinnvoll handeln : »Herr Dr. Schröder, die Untersuchungen in Sachen Dachbegrünung der AG Vegetationsökologie & Botanik der Hochschule Osnabrück bietet eine Antwort auf das immer größer werdende Problem des Flächenverbrauchs bei gleichzeitigem Artenverlust. Wie können wir auch im Südwesten von Ihren Erfahrungen/Ergebnissen profitieren?«
Dr. Schröder: »Wir planen die Erstellung eines Handbuchs mit Handlungsempfehlungen für derartige Dachbegrünungen. In einem künftigen Projekt wollen wir unsere Erfahrungen auch ganz explizit an Interessengruppen im gesamten Bundesgebiet weitergeben. Konkret wäre es fachlich sinnvoll, für jede "Region" eine eigene Wildpflanzensaatmischung für extensive Dachbegrünung zu erstellen. Wir werden dies exemplarisch für einige Herkunftsregionen von Regiosaatgut angehen.«
sinnvoll handeln :
»Dachflächen werden bereits jetzt - und künftig immer häufiger auch für den Einsatz der erneuerbaren Energie benötigt. Inwiefern gibt es auch schon Untersuchungen über die Verträglichkeit einer ökologischen Dachbegrünung und gleichzeitiger Installation von Photovoltaik Anlagen.«
Dr. Schröder:
»Zur generellen Verträglichkeit extensiver Dachbegrünungen mit PV-Anlagen gibt es bereits einige Studien. Kurz: ordentlich geplant verträgt es sich ganz prima. Die Dachvegetation kann dabei die Effektivität der PV-Anlage erhöhen (wenngleich dieser Effekt nicht riesig zu sein scheint)«
sinnvoll handeln :
» Welche Fördermöglichkeiten gibt es und wie lassen sich derart bepflanzte Flächen womöglich auch gleich als Ausgleichsflächen deklarieren?«
Dr. Schröder:
»Einige Kommunen fördern Dachbegrünung direkt durch Bezuschussung, andere indirekt durch reduzierte Abwassergebühren. Dachbegrünungen als Kompensationsflächen auszuweisen wäre ein möglicher Anreiz, ist aber durchaus kritisch zu sehen. Im Rahmen der Eingriffsregelung (BNatSchG) gibt es verschiedene Berechnungsmodelle, die Dachbegrünungen unterschiedlich behandeln. In der Regel gilt Dachbegrünung eher als Eingriffsminderung denn als Kompensation«
Quellen: https://auburg.de
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