Teil IV der Serie: Öko-landwirtschaftliche Familienbetriebe aus Ostwürttemberg stellen sich vor.
Um 1140 wird die freiherrliche Familie von Woellwarth erstmals geschichtlich erwähnt, seit 1401 ist das Schlossgut Hohenroden bei Essingen in ihrem Besitz. Heute betreiben auf dem in schöner Ostalb-Landschaft gelegenen Schlossgut in Essingen-Hohenroden die Nachfahren gemeinsam Bio-Landwirtschaft.
„Wir leben und arbeiten hier miteinander auf dem Hof“, beginnt Charlotte Schneider (34), geborene von Woellwarth, und fügt lachend hinzu: „Das macht es allerdings nicht immer einfacher.“
Mit ihrem Ehemann Philipp Schneider (43), der neun Monate alten Tochter Clara, ihren Eltern Philipp und Viola von Woellwarth sowie Kryczstof, dem aus Polen stammenden landwirtschaftlichen Mitarbeiter, bewohnt sie gemeinsam das weitläufige Anwesen. Der Betrieb der von Woellwarths ist Teil der Bio-Musterregion Heidenheim plus.
Charlotte hat Landwirtschaft in Triesdorf studiert, als einzige der insgesamt vier Kinder der von Woellwarths. Auch ihr Mann kommt ursprünglich aus der Landwirtschaft, führt als Parkettlegemeister einen Betrieb in Waiblingen und arbeitet nach Feierabend ebenfalls mit auf dem Hof. Zum Interview sitzt die Familie bei Kaffee und Kuchen unter dem alten Kastanienbaum im Hof.
Kein einfacher Start
„Ich hatte immer nur die Chemiekeule bei Allem eingesetzt", erzählt Charlotte Schneiders Vater Philipp von Woellwarth freimütig. „Bis ich Ende der 1980er eine schwere Pflanzenschutzmittelallergie bekam. Da wurde mir klar: entweder umstellen oder aufgeben!“ Seine Frau Viola von Woellwarth fügt hinzu: „Es ging um alles!“
So wurden die von Woellwarths – zumindest anfangs eher unfreiwillig – zu Bio-Landwirten. „Im letzten Jahr als konventioneller Landwirt habe ich 100 Doppelzentner Weizen pro Hektar gedroschen, anfänglich als Bio-Landwirt gerade noch 20. Aber das hat sich geändert, der Ertrag ist wieder angestiegen, weil sich der Boden umgestellt hat“, erzählt Philipp von Woellwarth und fügt hinzu: „In den frühen 90ern war es noch schwierig mit der Vermarktung von Bio, dann bin ich zur Erzeugergemeinschaft rebio aus Rottenburg am Neckar, ab da ging es voran. Die Einstellung und das Bewusstsein zur Natur und zu Bio kamen dann ganz automatisch.“
Landwirtschaft mit Vielfalt
Die ganze Vielfalt landwirtschaftlichen Tuns ist auf dem Betrieb der von Woellwarths abgebildet: Seit 1991 wird auf einer Fläche von 80 Hektar Acker und 40 Hektar Grünland nach Bioland-Richtlinien gewirtschaftet. Im Ackerbau folgen auf drei Jahre Kleegras der Weizen, dann Hafer und Dinkel – zusätzlich wird Körnermais und Futtergemenge für die Schweine angebaut.
Wenn alles klappt, werden Charlotte und Philipp Schneider ab dem nächsten Jahr die Landwirtschaft von der Woellwarthschen Erbengemeinschaft pachten. Bis dahin ist Philipp von Woellwarth der Betriebsleiter und seine Tochter Charlotte seine Mitarbeiterin.
Auf den Weiden tummeln sich von Frühjahr bis Herbst die Rinderherden der Rassen Deutsch Angus und Aberdeen Angus mit vierzig Mutterkühen, einem Bullen und momentan vierzig Kälbern.
Viele der zum Hof gehörenden Tiere haben einen Namen. Lieblingsmutterkuh Schlecki – aber auch Fanny und Goldi, die beiden Muttersauen der Rasse Duroc.
Charlotte Schneider führt zum großzügigen Stallgelände der Muttersauen und erklärt: „Durocs sind im Verhältnis zur gewohnten deutschen Hausschweinrasse größer und dunkelhäutig. Diese Eigenschaft ist wichtig für die Freilandhaltung, denn so bekommen sie keinen Sonnenbrand.“
Die Ferkel der beiden Muttersauen werden nach dem Absetzen, im Alter von 8 bis 9 Wochen, auf dem Hof gemästet. Im Alter von 7 bis 10 Monaten werden sie dann im Aalener Schlachthof geschlachtet. Der Hausmetzger verarbeitet danach gemeinsam mit Viola von Woellwarth das Fleisch nach Hausrezept. Die Produkte kann man im Hofladen kaufen. Ebenfalls der Zuständigkeitsbereich von Viola von Woellwarth: Das Betreiben des Festsaals, der für Hochzeiten und sonstigen Feiern einen einladenden Rahmen für bis zu 120 Personen bietet.
Ein weiteres Standbein von Hohenroden und gleichzeitig ein Spiegel für die Artenvielfalt sind die Streuobstwiesen mit über 500 Bäumen, manche schon über hundert Jahren alt. Die alten Bäume werden nicht gefällt, sondern dürfen bleiben bis sie umfallen. „So ein alter Baum mit Totholz ist ein Biotop in sich und ganz wichtig für die Insektenvielfalt“, sagt Charlotte Schneider auf einen knorrigen Apfelbaum zeigend und ergänzt: „Und wo Insekten sind, tummeln sich auch Vögel und Fledermäuse.“ Über den eigenen Apfelsaft verrät Charlotte: „Wir schütteln die Bäume nicht, nur ausgereiftes Obst wird verarbeitet. Und wir nutzen nur die späten Sorten zum Pressen. Deswegen schmeckt er besonders gut.“
Bodenschutz und Agroforst als Klimaschutzmaßnahme
Ein weiteres Thema in Hohenroden ist die Gesunderhaltung der Böden. „Der Humusaufbau im Boden ist unsere wichtigste Klimaschutzmaßnahme! Humus besteht zu 60 Prozent aus Kohlenstoff. Steigt sein Anteil im Boden, wird CO2 aus der Luft gebunden. Außerdem speichert Humus Wasser und sorgt für ein besseres Pflanzenwachstum. Ein gesunder Boden muss in der Landwirtschaft das erklärte Ziel sein – in einer Handvoll davon leben mehr Lebewesen als Menschen auf der Erde!“
Wie Philipp Schneider weiter erklärt, werden alte Ansätze neu verfolgt: „Wir setzen auf weniger Bodenbearbeitung, weniger Bodendruck, keine Pflanzenschutzmittel. Kurz nach der Aussaat wird nur einmal gestriegelt. Bestimmte Beikräuter sind erlaubt und erwünscht, denn sie halten den Boden feucht. Und da ist Natur- und Artenschutz gleich beinhaltet. Bei uns wächst sogar der äußerst seltene Ackerhahnenfuß."
Agroforst ist eine weitere wirkungsvolle Maßnahme, mit der man auf Hohenroden aktiv Klimaschutz betreibt. Bei dieser werden Bäume oder Sträucher wieder in Ackerflächen oder Weiden integriert. „Früher war die Landschaft geprägt von Hecken und Bäumen, die kamen nach der Flurneuordnung weg und damit die wichtigsten Regulierer für das Kleinklima. Immer wieder stellen wir fest: Altbewährtes hat auch stets die Zukunft gesichert“, so Philipp von Woellwarth.
Deshalb pflanzte die Familie von 2014 bis 2017 auf drei Flächen Pappeln, immer in Doppelreihen. Charlotte Schneider: „Die sind schnell gewachsen. Und die Vorteile wurden genauso schnell sichtbar: mehr Humus, mehr Bodenfruchtbarkeit, eine gute Durchwurzelung, Beschattung und Windbremse.
Wenn genügend Baumreihen vorhanden sind, können sie sogar das Klima beeinflussen, das heißt den Regen anziehen. Gleichzeitig sind kleine Biotope entstanden. Seitdem sehen wir wieder viel mehr Hasen auf unseren Feldern.“ Auch Philipp von Woellwarth ist überzeugt: „Die Vorteile der Baumreihen überwiegen den Ertragsausfall auf der Fläche, weil durch die positiven Eigenschaften der Ertrag neben den Baumreihen wieder steigt.“
Pappeln hatten auch schon die Ahnen der Familie gepflanzt. Zwei uralte Baumgiganten dieser Art begrüßen – und verabschieden – die mit wunderschönen und vielfältigen Eindrücken reich beschenkten Besucher von Schlossgut Hohenroden.
Mehr über das Schlossgut unter http://www.hohenroden.de/.
So unterstützen Sie Agrarwende, Artenvielfalt, Tierwohl und das Überleben landwirtschaftlicher Familienbetriebe!
Bereichern Sie Ihren Speisezettel so oft es geht mit bio-regionalen Lebensmitteln.
Reden Sie mit Bekannten, Freunden und Ihrer Familie über die Herkunft der Lebensmittel, die sie kaufen.
Fragen Sie im Supermarkt nach bio-regionalen Lebensmitteln. Kaufen Sie so oft es geht auf dem Markt oder direkt in den Hofläden.
Seien Sie grundsätzlich bereit, mehr für Lebensmittel und vielleicht etwas weniger für sonstigen Konsum auszugeben: Qualität muss seinen Preis haben!
Besuchen Sie Ihre Landwirte vor Ort und erfahren Sie, wie Ihre Lebensmittel produziert werden!
Informieren Sie sich darüber, welche politischen Entscheidungen, Herkunft, Qualität Ihrer Lebensmittel und die Landwirtschaft wie beeinflussen.
Unterstützen Sie entsprechende Initiativen (https://www.aurelia-bienenundbauern.de und
https://www.aktion-agrar.de machen sich zum Beispiel stark für eine bäuerliche ökologisch verträgliche Landwirtschaft)
Und alle die eine Kantine führen, tun Gutes für sich, MitarbeiterInnen, Kunden und Kundinnen, wenn sie auch bio-regionale Lebensmittel mit in´s Menü aufnehmen.
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