top of page
AutorenbildEva Stengel

Ökologische Landwirtschaft: Ein Aussiedlerhof im Wandel der Zeit

Genau 60 Jahre alt ist der Aussiedlerhof der Familie Thierer bei Herbrechtingen. Mittlerweile hat sich Günter Thierer auf Bio-Ackerbau nach Bioland Richtlinien spezialisiert. Dabei setzen er und seine Familie auf Kooperationen und den Erhalt von regionalen Strukturen.



Günther Thierer: "Ich bin mit Leib und Seele Landwirt"

Lange Zeit betrieben die Thierers eine Bullenmast. Damit war 2016 Schluss. „Ich habe sehr gerne vor 25 Jahren die Nachfolge meines Vaters angetreten und bin mit Leib und Seele Landwirt. Aber die Gesundheit machte mir einen Strich durch die Rechnung“, erklärt Günter Thierer die damalige Entscheidung. Inzwischen bewirtschaftet Günter Thierer als Betriebsleiter mit seiner Familie den Hof nach Bioland-Richtlinien und betreibt den Anbau von überwiegend Getreide. Die Eltern und auch ein netter Nachbar haben stets mit angepackt und mitgeholfen.

Die Tierhaltung aufzugeben, fiel der Familie nicht leicht. Ein Bulle lebt heute noch auf einem Gnadenhof. „Es hatte auch seine Vorteile“, fügt seine Frau Heike Thierer hinzu. „Ohne Tierhaltung haben wir nun als Familie mehr Zeit füreinander und können ohne schlechtes Gewissen auch mal alle gemeinsam in den Urlaub fahren. Wir liebäugelten zudem schon sehr lange mit der Biolandwirtschaft.“


Drei Fotos zeigt Günter Thierer, Betriebsleiter eines Bio-Ackerbaubetriebs in Herbrechtingen, beim Interview. Diese zeigen den Wandel, den der Hof im Laufe seiner 60-jährigen Geschichte erlebt hat. Denn vor genau 60 Jahren wurde der klassische Aussiedlerhof der Familie Thierer weit außerhalb der Dorfgrenze angelegt. Inzwischen wird er von drei Generationen bewohnt: den Großeltern, deren Sohn Günter mit seiner Frau Heike und den zwei Kindern Annika und Benni.



Tochter Annika (19) erwägt, irgendwann wieder Tiere auf den Hof zu holen. Sie studiert momentan im dritten Semester Landwirtschaft in Triesdorf und möchte das Familienanwesen als nächste übernehmen. „Schon im Alter von fünf Jahren fuhr sie begeistert Traktor“, erzählt Heike Thierer und fügt hinzu, dass Christian, der Freund der Tochter ebenfalls fleißig auf dem Hof mitarbeitet. Er ist Landmaschinenmechatroniker und hält Ziegen, die immer mal wieder als tierische Landschaftspfleger auf dem Hof eingesetzt werden.

Günter Thierer: „Auch im Hinblick auf meine Kinder und auf die Enkel, die vielleicht noch kommen: Man muss in erster Linie alles dafür tun, landwirtschaftliche Flächen auch als solche nachhaltig zu nutzen. Fruchtbarer Boden ist wirklich ein wichtiges, ein kostbares Gut. Von dort kommt unsere Nahrung!“

Sohn Benni (9) liebt das freie Leben auf dem elterlichen Gehöft, auch wenn er einen weiten Schulweg hat. Besonders stolz ist er auf die landwirtschaftlichen Maschinen, die sein Vater mit Geschick selbst instand setzt und Neukreationen aus gebrauchten Teilen baut. Aus einem alten Ladewagen entstand so eine neue Sämaschine und auch die Wiesenwalze ist Marke Eigenbau.


Im Ackerbau setzt man bei Thierers im Augenblick auf den Anbau von Wintergerste, Braugerste, Oberkulmer Rotkorn Dinkel, Klee, etwas Streuobst und ein wenig Waldwirtschaft.

Auch mit Mais, Lupinen und Ackerbohnen hat Günter Thierer schon experimentiert. „Unser Boden ist kein einfacher, sehr kalkhaltig, relativ trocken und sehr steinig und in den letzten Jahren ist der Grundwasserspiegel erheblich gesunken. Wir spüren die Auswirkungen des Klimawandels!“


Doch mit dem richtigen Wissen gelingt die Bewirtschaftung dennoch sehr gut. „Unser Dinkel hatte letztes Jahr eine so gute Qualität, dass er sogar direkt in die Nudelproduktion ging“, erzählt Heike Thierer stolz und zeigt auf die rot-leuchtenden Dinkelfelder.


„Die Nudeln findet man wiederum in den regionalen Bio-Läden", denn die Thierers setzen hinsichtlich des Absatzes ihrer Produkte auf Regionalität und Zusammenarbeit. Dafür gehen sie die unterschiedlichsten Kooperationen mit anderen – auch konventionell arbeitenden – Landwirten ein.


So werden landwirtschaftliche Maschinen nicht ausschließlich allein sondern mit einem Betrieb gemeinsam angeschafft und geteilt. Das Kleegras bekommt ein benachbarter Bio-Betrieb als Futter für seine Tiere. Auch das Stroh des Getreides wird genutzt und kommt Schweinehaltern in naher Umgebung als Einstreu zu Gute. Im Ausgleich gibt es wertvolle Bio-Gülle und Bio-Mist für die Felder.

Auf die aktuelle Situation in der Landwirtschaft hat Günter Thierer einen ungeschönten Blick: „Unsere Landwirte stehen nahezu alle unter massivem Druck! Wenn wenig wächst auf dem Feld, wird einem gesagt, man müsse mehr düngen und mehr spritzen. Wenn dann alle mehr produzieren, gehen wiederum die Preise nach unten. Es ist ein Hamsterrad, aus dem es für viele kein Entkommen gibt. Kleinen Landwirtschaften oder bäuerlichen Betrieben, die nicht wachsen möchten, wird es nach wie vor sehr schwer gemacht.“

Nur einer der vielen Gründe, weshalb er sich 2015 dazu entschloss, auf biologische Landwirtschaft umzustellen. Eine Entscheidung, die er nie bereut hat.

Viele Themen beschäftigen den 50-Jährigen, der sich neben der Betriebsführung des Hofes auch in der regionalen Politik engagiert. Er ist Mitglied der Vorstandschaft im Bauernverband, seit 1997 Ortsobmann in Herbrechtingen und außerdem als Gemeinderat in Herbrechtingen tätig. „Am Anfang ist der Betrieb flächenmäßig noch gewachsen, aber in den letzten 20 Jahren haben wir stets an Fläche verloren. Sieben Hektar wurden schon in Bau- und Gewerbegebiete umgewandelt“, meint Günter Thierer und gibt zu bedenken: „Wir hatten da keinen Einfluss drauf. Meiner Ansicht nach ist der stetige Flächenverbrauch durch Überbauung heute eines der größten Probleme. Eigentlich sollte jeder Hektar an gutem Ackerboden bewahrt werden und das Grundwasser, das gilt es ebenfalls unbedingt zu schützen.“

Auch Heike Thierer engagiert sich auf dem Hof. Sie ist als Apothekerin in einer Herbrechtinger Apotheke tätig. Ihr besonderes Interesse gilt gesunder Ernährung und der Flora. „Es ist erstaunlich, wie schnell sich Wild- und Heilpflanzen wieder ansiedeln, wenn man es nur zulässt.“ Voll Freude zeigt Heike Thierer auf ihre Wildblumenwiese, die sie neben der Hofeinfahrt angelegt hat:


Heike Thierer: „Auf unserer Wildwiese und unseren Ackerränder zeigen sich inzwischen wieder Schmetterlinge, Wildbienen und andere Insekten aller Art!

In der Apotheke kommt sie mit vielen meiner Kunden ins Gespräch und kann ihnen aus eigener Erfahrung manchen Tipp zum Thema gesunder Lebensstil und gesunde Ernährung geben.

Ihr Mann bekräftigt: „Ich bin auch dafür, dass Kenntnisse rund um die Ernährung und Landwirtschaft wieder aktiv in den Schulen gelehrt werden. Der regionale Absatz ist für die Zukunft insgesamt – auch global gesehen – wirklich von großer Bedeutung. Alle sollten wissen, unter welchen Bedingungen welche Lebensmittel vor ihrer Haustüre wachsen!“


Im liebevoll angelegten Garten hinter dem Wohnhaus der Thierers kann man dies sehen. Hier wird von der Schwiegermutter und Heike Thierer allerlei Gemüse zur Selbstversorgung gezogen.


Leckeres Bio-regionales Vesper im Garten - mit wunderbarem Ausblick!

Die meisten Dächer vom Aussiedlerhof sind inzwischen bedeckt mit Photovoltaikmodulen. Familie Thierer ist dafür, dass vor allem diese Dachflächen im Sinne des Klimaschutzes genutzt werden.

„Photovoltaik auf Dächern ist ein echt sinnvoller Beitrag zum Klimaschutz. Und dafür sollten auch alle notwendigen politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden. “

Familie Thierer ist auch weiterhin offen für Wandel!

Comments


bottom of page