"Wir wollen wild" Diesen Appell würden Tiere und Pflanzen an uns richten, hätten sie eine Stimme! Inzwischen gibt es in Deutschland fast nirgendwo mehr Flächen, die nicht auf irgendeine Art mehr oder weniger genutzt, kultiviert, beackert, bebaut, begangen oder befahren werden.
Unberührte Wildnis? Fehlanzeige: Man geht von nurmehr ungefähr 0,6 Prozent der Landesfläche aus, die man als vom Menschen ungenutzt bezeichnen könnte. Mit entsprechenden Folgen: Unsere Artenvielfalt geht mit atemberaubender Geschwindigkeit zurück. Es fängt an beim Regenwurm, geht über den Igel, über die Ackerhummel bis hin zum Spatz. Viele Tier- und Pflanzenarten sind vom Schwinden und der Veränderung natürlicher Lebensräume betroffen.
Was geht uns das an?
Wir leben im Netz der Natur, die uns umgibt. Wird dieses brüchig, geht es unseren Lebensgrundlagen an den Kragen. Die Biodiversitätsforscherinnen Dr. Frauke Fischer und Hilke Oberhansberg haben das in ihrem sehr empfehlenswerten Buch "Was hat die Mücke je für uns getan" an einem besonders drastischen Beispiel erläutert: Lediglich ein Blutsauger ist in der Lage, die Kakaopflanze zu bestäuben! Nur die Gnitzen (kleine blutsaugende Mücken aus der Ordnung der Zweiflügler) aus zwei Gattungen sind klein genug, um in die kompliziert gebaute Blüte des Kakaobaumes zu gelangen. Ergo: Ohne Gnitzen kein Kakao - ohne Kakao keine Schokolade! Nicht auszudenken ...
Ist alles noch schön bunt hier?
Eigentlich lieben wir doch die Abwechslung! Und wir fühlen uns in möglichst unberührter Natur am wohlsten. Hat das nicht die Corona Pandemie eindrücklich vor Augen geführt!
Oder ist uns möglichst wenig Natur inzwischen doch lieber? Diesen Eindruck gewinnt man, wenn man hierzulande durch viele Städte, Ortschaften geht oder über Land fährt. Unsere Seh- und Lebensgewohnheiten haben sich drastisch verändert. An riesigen Ackerflächen wächst kein Baum, kein Strauch mehr. Steingärten kamen in Mode und rund um das Haus wird gepflastert, was das Zeug hält. Dort wo es ein bisschen grün sein darf, muss es aussehen wie im Gartenkatalog: ein perfekter Rasen wird begrenzt von schicken Gabionen und vielleicht noch einer Bambushecke.
Wie konnte es nur soweit kommen?
Nicht besonders schön hier!
Wilde Natur ist in unseren Augen nicht immer "schön". Denn sie unterliegt ja stetem Wandel. Holz wird zu Totholz, Blumen verblühen, Pflanzen welken. Viele für Tiere äußerst wertvolle Wildpflanzen kommen komplett unscheinbar daher. Doch gerade Bereiche voll vermeintlichem "Unkraut" sind ein Paradies für viele Lebewesen. Dazu gehören zum Beispiel Brennnesseln, die eine wichtige Futterpflanze sind für die Raupen vieler Schmetterlinge. Oder der Löwenzahn, der Nektar nicht nur für Hummeln und Bienen bereithält. Ein unscheinbares Fleckchen offene Erde ist genau das richtige Brutareal der meisten Wildbienenarten. Manche Tiere mögen vielleicht auf den ersten Blick etwas gewöhnungsbedürftig wirken - die Grille vielleicht. Aber was wäre ein lauer Sommerabend ohne das Zirpen der Grillen! Selbst ein Regenwurm und all die anderen kleinen Lebewesen - ganz entscheidend tragen sie alle kostenfrei zu unseren Lebensgrundlagen und unserer Lebensqualität bei.
Natur ist für die Sinne!
Um uns herum tobt das Leben! Zwar oft in ganz kleinen Formen, aber nicht minder spannend und vielfältig. Es tut in der Seele gut, einen Schmetterling zu beobachten. Und der Gesang eines Vogels ist mit Sicherheit etwas, auf das die wenigsten Menschen für immer verzichten möchten. Eine blühende Wildhecke riecht betörend. Insekten zu beobachten ist äußerst reizvoll und wenig trägt mehr zum Wohlbefinden bei als ein ausgedehnter Spaziergang in der Natur.
Warum die Farbe Gelb?
Wir werden immer wieder gefragt, warum wir als Kampagnenfarbe ausgerechnet ein leuchtendes Gelb und nicht grün gewählt haben. Die Farbe Gelb steht für Sonnenstrahlen, Heiterkeit und Optimismus. Sie steht auch für Wissen und Weisheit. Und sie wird oft da eingesetzt, wo man auf etwas konkret hinweisen möchte. Hier werden wir ganz ernst: Neben dem Wunsch, mit #miniwildnis Begeisterung und ein Interesse für die Natur zu wecken und möglichst viele Menschen zu motivieren, sich für sie einzusetzen, wollen wir aufzeigen, dass die Zeit wirklich drängt:
Das macht uns wild!
Einige Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sind inzwischen der Ansicht, dass der Verlust der Biodiversität eine noch größere Gefahr als der Klimawandel darstellt. Denn intakte Ökosysteme können uns ganz entscheidend dabei helfen, seine Folgen abzumildern. Man denke nur an die Moore. Sie speichern doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder der Welt! Der NABU hat es ausgerechnet: Geht in einem Moor die Torfmächtigkeit (15 Zentimeter) um einen Meter zurück, müsste zum Ausgleich das Sechsfache an Fläche aufgeforstet und 100 Jahre ungestört wachsen. Dabei sind zwischen 1850 - 2015 weltweit über 50 Millionen Hektar Moore für immer durch Menschenhand verloren gegangen und der Trend ist bisher ungebrochen!
Oder der Insektenschwund. Eindeutig belegt unter anderem durch die Forschungsarbeit auf der Forschungsstation für Vogel- und Insektenzug Randecker-Maar*. Innerhalb von nur 50 Jahren wurden in einer Versuchsreihe Rückgänge von bis zu 97% bei ziehenden Insekten - insbesondere den Schwebfliegen - nachgewiesen. Diese Forschungsarbeit ist in ihrer Art einzigartig in Europa und das Ergebnis niederschmetternd. Denn von diesem Rückgang sind die insektenfressenden Vögel natürlich unmittelbar betroffen! Auch ihr Bestand schrumpft beständig. In den letzten Jahren europaweit durchschnittlich um 13 Prozent.** In Deutschland ging der Bestand an Brutpaaren von 1992 bis 2016 in Deutschland um mehr als sieben Millionen Paare zurück. Somit leben heute etwa acht Prozent weniger Brutvögel in Deutschland als noch vor 24 Jahren.***
Unser Kampagnen-Maskottchen - die Haubenlerche ....
.... fand man bis vor wenigen Jahrzehnten noch überall in allen deutschen Städten. Sie mag sandige, steinige Flächen mit niedrigem Pflanzenbewuchs beispielsweise rund um Bahnhöfe. Heute steht dieser reizende Vogel auf der roten Liste und ist akut vom Aussterben bedroht.
Kleine Schritte sind besser als keine Schritte ! Viele Menschen signalisieren, dass sie bereit wären, in ihrem direkten Umfeld etwas für den Naturschutz zu tun. Genau darauf zielt die Kampagne Miniwildnis ab. Sie setzt sich dafür ein, dass das Verständnis für den benötigten Lebensraum für unsere Insekten, Kleinlebewesen und Vögel wächst. Sie möchte Lust auf Natur machen, Wissen vermitteln und Naturfreundinnen und -freunde dazu animieren, ihre Beobachtungen mit dem Hashtag #miniwildnis auf Instagram zu teilen.
Pilotprojekt
Im Rahmen ihres Nachhaltigkeitsprogramms das ist grün sind auf Initiative der DB und dem Stuttgarter Bahnhofsmanager Nikolaus Hebding an den Bahnhöfen Waiblingen und Weiler drei Miniwildnis-Flächen entstanden. Hier wurden Naturräume geschaffen, die hoffentlich viele Insekten, Kleintiere und Vögel anziehen werden. Die Kampagne Minwildnis wird Anfang Mai dort ihren Anfang nehmen. Mit einer Beschilderung die zum Mitmachen aufruft.
Miniwildnis ist eine Kampagne von Eva Stengel - sinnvoll handeln DAS TUN WIR
DANKE
Das wunderbare Design - und Kommunikationskonzept, das den Lebewesen eine Stimme gibt, wurde von häfelinger design , München - und der passende tolle Internet-Auftritt von Matthias Müller von grafish, Düsseldorf entwickelt.
Das Team von stradico, Ellwangen, einem jungen Startup rund um Digitalisierungskonzepte, gab wertvolle Anregungen und begleitet die Kampagne in den sozialen Medien.
Texte: Eva Stengel
Bei Interesse, die Kampagne zu unterstützen, freuen wir uns über Kontaktaufnahme!
Quellen:
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